4. November 2022
Streit am BGH! „Kaufrecht vs. Baurecht“
Fiktiver Schadensersatz im Kaufrecht weiterhin möglich
Als Folge eines Sachmangels kann dem Käufer ein Schadensersatzanspruch gegenüber dem Verkäufer zustehen. Voraussetzung dafür ist beispielsweise, dass der Verkäufer die Nacherfüllung verweigert, oder diese nach i.d.R. zwei Versuchen fehlgeschlagen ist. In diesen Fällen kann der Käufer entweder vom Vertrag zurücktreten, den Kaufpreis mindern, oder den Mangel anderweitig beseitigen lassen und die hierbei entstehenden Kosten im Wege des Schadensersatzes geltend machen.
Nachdem der für Bauverträge zuständige VII. Zivilsenat in Abkehr zu seiner jahrzehntelangen Rechtsprechung entschieden hatte, dass es im Bau- & Werkvertragsrecht nicht mehr zulässig sei, den Schadensersatzanspruch wegen Mängeln am Bauwerk auf Grundlage der voraussichtlich erforderlichen, aber noch nicht entstandenen, also den sogenannten fiktiven Mängelbeseitigungskosten zu bemessen (BGH Urteil vom 22.02.2018, VII ZR 46/17),entbrannte in der Folgezeit Streit darüber, ob diese weitreichende Entscheidung auch für das Kaufrecht von Relevanz ist.
Nachdem zunächst der für Immobilienkäufe zuständige V. Zivilsenat (BGH, Urteil vom 12.03.2021, V ZR 33/19)entschieden hatte, dass ein kaufvertraglicher Schadensersatzanspruch weiterhin fiktiv geltend gemacht werden kann, ist der für (bewegliche) Kaufsachen zuständige VIII. Senat dieser Rechtsauffassung gefolgt. Begründet wurde dies damit, dass der Käufer anderenfalls die Nachteile und Risiken einer Vorfinanzierung zu tragen hätte und es im Kaufrecht, anders als im Werkvertragsrecht, keinen Vorschussanspruch für die beabsichtigte Selbstvornahme gibt. Demnach kann der Käufer weiterhin den voraussichtlichen
(Netto-)Reparaturbeseitigungsaufwand verlangen und zwar unabhängig davon, ob er den Mangel tatsächlich beseitigen lässt oder nicht (BGH, Beschluss vom 25.01.2022, VIII ZR 337/20).
Rechtsanwalt Michael Thoman, Fachanwalt für Verkehrsrecht mit weiterem Tätigkeitsschwerpunkt im Bau- und Immobilienrecht