18. November 2019
BGH bestätigt die Wirksamkeit von „Behindertentestamenten“
Fall: Ein Vater hatte zwei behinderte Kinder und ein gesundes Kind. Er verfasste ein sog. „Behindertentestament“ und setzte darin die beiden behinderten Kinder, mit einem Anteil von jeweils 18% am Nachlass als Vorerben ein. Das weitere, gesunde Kind des Erblassers wurde zum Vollerben mit einem Anteil von 64% bestimmt und im Übrigen auch als Nacherbe nach beiden behinderten Kindern eingesetzt. Weiter ordnete der Erblasser hinsichtlich der beiden Vorerben Dauertestamentsvollstreckung nach § 2209 BGB bis zu deren jeweiligen Tod an. Als Aufgabe des Testamentsvollstreckers bestimmte der Erblasser die Ausübung der den Vorerben zustehenden Verwaltungsrechte. Verfügungen über die Erbteile selbst waren dem Testamentsvollstrecker nicht gestattet.
Für eines der behinderten Kinder wurde ein Berufsbetreuer mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge, Gesundheitssorge sowie Geltendmachung von gesetzlichen Ansprüchen bestellt. Nach dem Tod des Erblassers machte der Betreuer seine Kosten bei der Staatskasse geltend.
Amtsgericht und Landgericht bezeichneten das Testament als sittenwidrig, weil in dem Testament keine konkreten Verwaltungsanweisungen an den Testamentsvollstrecker enthalten seien. Aus diesem Unterschied zwischen dem „klassischen“ und damit nicht sittenwidrigen Behindertentestament zu dem vorliegenden Testament hat das Landgericht geschlossen, dass die Anordnung der Vor- und Nacherbschaft im vorliegenden Fall allein dazu diene, den Zugriff des Sozialhilfeträgers auf die Erbteile der behinderten Kinder zu verhindern, dies führe zur Sittenwidrigkeit des Testaments.
Dem hat der BGH (Beschluss vom 24.07.2019 – XII ZB 560/18) eine eindeutige Absage erteilt:
Allein die dem Erblasser unterstellte Absicht, durch die Gestaltung des Testaments den gesamten Nachlass nur zugunsten des nicht behinderten Sohns sichern und einen Zugriff der Sozialhilfe- und übrigen Leistungsträger auf die Erbteile der beiden behinderten Familienangehörigen verhindern zu wollen, würde hierfür nicht genügen. Auch der Vorerbe ist grundsätzlich wahrer Erbe und damit Inhaber der zum Nachlass gehörenden Vermögenswerte. Allerdings kann der (behinderte) Vorerbe, soweit er nicht gemäß § 2136 BGB von den Beschränkungen und Verpflichtungen befreit wurde, nicht über die Nachlassgegenstände verfügen. Ihm stehen jedoch im Verhältnis zum Nacherben die vollen Nutzungen seiner Vorerbschaft zu, während für den Nacherben lediglich die Substanz des Nachlasses erhalten bleiben muss. Ist eine Dauertestamentsvollstreckung angeordnet, erfasst diese allerdings auch die aus der Vorerbschaft erwirtschafteten Erträge.
Die Gestaltung eines Behindertentestaments erfordert gute Kenntnisse der rechtlichen Möglichkeiten und Grenzen. Soweit Sie dazu Beratungsbedarf haben, melden Sie sich bei
RA Andreas Schnitzler, Fachanwalt für Steuerrecht, Tätigkeitsschwerpunkt: Erbrecht
Wir weisen auf den Vortrag von RA Schnitzler zum Behindertentestament hin:
Do. 14. Mai 2020, 19.00 Uhr, Autismus Südbaden e. V., (Korczak-Haus; www.korczak-haus-freiburg.de).